auf Spurensuche zur Vöhrenbacher uhrengeschichte
Die Erschließung des Schwarzwaldes
Der Schwarzwald war bis zum hohen Mittelalter ein wirtschaftlich unerschlossenes Gebiet. Im Westen liegt die fruchtbare, von jeher dicht besiedelte Rheinebene. Der Breisgau reicht bis an den Fuß des Schwarzwaldes heran. Ländereien und Besitztümer die noch nicht erschlossen waren, lagen in den Händen von Bistümer, Klöster, Grafschaften und anderen eingesetzten Verwaltern. Von der Ebene her kamen meist auf Geheiß eines Klosters die Holzfäller und Kohlenbrenner allmählich auf die Hochrücken des Schwarzwaldes. Vielen Menschen aus fremden Gegenden wurden Versprechungen gegeben über Erwerb und Eigentum, sowie Gesetz und Schutz und steuerliche Befreiung der Abgaben. Ihnen folgten die Viehhirten nach, welche sich hier oben häuslich einrichteten in ihren Hütten um den winterlichen Stürmen zu trotzen. Die Landbebauer machten es nach, bauten einen Bauernhof in der Mulde eines Hochlandes, möglichst in der Nähe eines Wassers. Dort arbeiteten die Bauern mit ihren Familienangehörigen und Knechten, waren genügsam und zufrieden auf ihren einsamen Bergen und Höfen, welche sich letztlich allmählich auch begrenzten. Sie hatten aber auch einige Verpflichtungen gegen ihren Grund – und Lehensherrn. Als Gegenleistung sollten die Ansiedler den urwaldähnlichen Charakter dieses Landstriches urbar machen. Saumpfade verbanden die Umgebung zu den einzelnen Höfen, Ansiedlungen und den Klöstern. Später wurden die Saumpfade ausgebaut um mit kleineren Wagen mehr Lasten zu transportieren.
Siedlungstätigkeit
Vor allem die alten Klöster haben hier wichtige Pionierarbeit zur Erschließung und Siedlungstätigkeit geleistet. Je zahlreicher die klösterlichen Niederlassungen wurden, umso lebhafter wurde das Interesse an der Landrodung. Im Jahre 1132 wurde von St. Georgen aus das Frauenkloster Friedenweiler errichtet. Es besiedelte mit Hilfe der Bauern das Gebiet von Urach und der Viertäler, um 1280 erst das Obertal von Schollach. Südlich schloß sich die Rohdungstätigkeit des Klosters St. Blasien im Hotzenwald an. Vom Westen her schob sich St. Peter und St. Märgen in das Waldgebiet um Breitnau und Waldau vor. Im Gebiet zwischen Brigach und Breg setzte sich dann vor allem die Zisterzienserabtei Salem fest. Jetzt galt es noch den Schwarzwald als hemmende Schranke endgültig zu überwinden. Von Neustadt aus erfolgte die volle Erschließung der Viertäler und des Hochfirstgebietes, von Vöhrenbach aus derjenigen von Linach, Langenbach und Rohrbach. Auch das den Höhenrücken zwischen Bregtal und Ordnachtal durchschneidende Tal von Schollach wurde um 1280 besiedelt.
Die Transportwege
Zwischen Rheinebene und Baar bestanden bis um das Jahr 1000 n.Chr. nur spärliche Verbindungen. Der Schwarzwald schob sich hier als mächtige Siedlungsbarriere ein. Er verhinderte ein gleichmäßiges Zusammenwachsen der Teile des alemannischen Siedlungsraumes diesseits und jenseits des damals urwaldähnlichen Gebietes. Im Mittelalter suchten aber die Freiburger Handelsleute immer mehr Verkehr auf ihre Straße zu bringen, die von Freiburg über Wagensteig, St. Märgen, Hohlen Graben, Kalte Herberge, Urach, Hammereisenbach, Herzogenweiler nach Villingen verlief. Die schlauen Freiburger bezahlten im Jahre 1316 dem damaligen Schutzvogt von Waldkirch, Heinrich von Schwarzenberg, der den Wegzoll von dieser Straße erhob, 50 Mark in Silber, nur um diese Straße durch den Kilpen zu schädigen. Die Verbesserung dieser Straße, sowie die Befahrung derselben mit Karrengut oder Kaufmannsware, wurde vollständig untersagt. Erzherzog Sigismund von Österreich bestätigte diesen Vertrag im Jahre 1485 aber in mildernder Form; ein Saumweg sollte immer bestehen bleiben und keine breite Fahrstraße. Die Simonswälder und Gütenbacher versuchten heimlich diese Straße weiter auszubauen, bis ihnen der Landvogt Wilhelm von Nagoldstein es ihnen ernstlich verbot. Trotz den Verboten wurde der Kilpenweg immer mehr verbessert und ausgebaut. Nach dem dreißigjährigen Krieg (1618-1648) geriet der Wagensteig allmählich in Zerfall und die Verbindung über den Kilpenpass spielte eine bedeutende Rolle im Spanischen Erbfolgekrieg (1701–14). Im Jahre 1776 ordnete die vorderösterreichische Regierung die Verbesserung aller Vicinalwege an, und trotz den Beschwerden der Stadt Freiburg wurde der Weg vom Engelwirtshaus bis zur Alten Eck / Ladstatt entsprechend erweitert und verbessert.
Die Glasmacher
Wenn die weltlichen und geistlichen Herrschaften den Glasmachern gestatteten, in einem ihrer Waldbezirken ihre Öfen und Hütten zu errichten, lag ihnen vor allem daran, den dort fern jeder Transportmöglichkeit stehenden Holzbestand einigermaßen ans Geld zu bringen. Die Standesherrschaft war froh – zunächst jedenfalls – dass jemand sich des ungeheueren Holzvorrates annahm, dies besorgten die Glasmacher sehr gründlich. In kurzer Zeit schafften sie es, oft unter permanenter Missachtung forstlichen Verhaltens, gewaltige Waldflächen auszubeuten. So erging es der auf St. Petrischem Klostergebiet gelegenen Glashütte im Knobelswald; Abt Ullrich wollte den Waldabbau nicht mehr länger dulden, ob wohl der 1685 geschlossene Vertrag über 50 Jahre erst 1735 auslaufen sollte. Er drängte auf die vorzeitige Beendigung des Vertrags schon 10 Jahre früher.
Glasträger und Glashändler
Leider gibt es sehr wenige Aufzeichnungen, wie und wo die gefertigte Ware abgesetzt wurde. Es waren wohl Leute, die den Glasmacher von früher her als zuverlässig bekannt waren, zu denen sich mit der Zeit noch der eine oder andere aus der Umgebung zugesellte. Meist waren es junge, kräftige und wanderlustige Männer, die hofften, durch diesen Handel ein besseres Auskommen zu finden. Vielfach waren es auch die älteren Söhne der Bauerngüter, denen der Vasallendienst auf dem elterlichen Hofe verleidet waren. Die Ware wurde in Krätzen dorthin getragen, wo man glaubte, dieselbe zu gutem Preis absetzen zu können. Um sich nicht gegenseitig in die Quere zu kommen, traten die Händler zusammen und vereinbarten sich gegenseitig auf die Richtung, wo sie mit dem Handel begannen. Schriftliche Belege darüber gibt es kaum, da die Gesellschafter nur auf Treu und Glauben zusammen getreten waren. Man hieß den per Handschlag geschlossenen Vertrag nur den Bund, welchen die Kameraden - so bezeichneten sie sich - einzuhalten hatten. Allmählich zeigt es sich, das es zweckmäßig wäre, die großen Gesellschaften nach dem Absatzgebiet aufzuteilen. So entstanden gegen 1750, entsprechend den Handelsbezirken folgend, größere Handelsgesellschaften, damals auch Kompanien genannt. Der eine oder andere Glashändler nahm auch später Hinterglasbilder aus dem Schwarzwald mit zum Verkauf, um sein Verdienst dadurch etwas aufzubessern. Auf diese Art und Weise gelangte auch die erste Uhr als Tauschobjekt in den Schwarzwald, wo sie ab diesem Zeitpunkt ihre Nachahmer fand. Als sich herausstellte, das der Uhrenhandel sich als recht lohnend entwickelte, wurden die Uhren von den Uhrmachern selbst verhandelt. "Das war die Geburtsstunde der Schwarzwälder Uhrenträger."
Das Ursprungsgebiet der Schwarzwälder Uhrmacherei
Die frühen Anfänge einer Uhrenherstellung auf dem Schwarzwalde liegen noch im Dunkeln, und alle Bemühungen und Nachforschungen wer die erste Uhr im Schwarzwald gebaut hat, sind bisher gescheitert; denn sie lassen sich geschichtlich nicht einwandfrei beweisen. Bei der wenig vorhandenen Literatur zu diesem Thema stößt man immer auf die Zeit, Mitte des 17. Jahrhunderts, obwohl diese Bauart sich schon im 14. Jahrhundert nachweisen lässt. Die Namen der Gebrüder Kreuz vom Glashof (Steyrer) und Lorenz Frey (Jäck) werden als erste Verfertiger genannt, auch die Jahreszahl von 1640 ist keineswegs nachweisbar. Die einzige plausible und brauchbare Beschreibung über das Gebiet der Schwarzwälder Uhrenhersteller ergibt sich aus folgender Umschreibung: …man meyne Dorach als Mite, un mache finf stunden Weg all Richtung so seyen all Ort drin wo wolfyle Uhren macht wird. So sey au Nustat, Fernbach, Treyberg au S.lörgen un Fisher meynet…
Dieser Text stammt aus einem Beiblatt, zu einer Karte von Johann Christoph Lochner aus dem Jahre 1690. Die Karte zeigt die wichtigen Orte der Schwarzwälder Uhrmacherei, wobei bei dieser Karte nicht wie üblich – Norden oben ist, sondern Westen ist oben. Dorach = Urach / Nustat = Neustadt / Fernbach = Vöhrenbach / Treyberg = Triberg / S.lörgen = St. Georgen / Fisher = bezieht sich auf das Gebiet Bregen, bez. Bregenbach. Karte und Beiblatt sind in Privatbesitz, mit freundlicher Erlaubnis : H & B
Vom Hausgewerbe zur Uhrenindustrie
Hausgewerbe: An erster Stelle war mit Bestimmtheit eine einzelne oder höchstens zwei Personen, wo mit der Anfertigung einer Uhr begannen. Alle Teile die damals für eine Uhr gebraucht wurden, sind von dem Verfertiger noch selbst hergestellt worden. Waren schon zwei Personen damit beschäftigt eine Uhr herzustellen – so sind es die Anfänge einer sich später immer weiterentwickelnden Arbeitsteilung.
Hausindustrie: Durch die Ausbildung der eigenen Kinder und die Mithilfe der sich im Hause befindlichen Personen wurde dann eine Arbeitsteilung angestrebt, um so eine schnelle und kürzere Herstellung einer Uhr zu erreichen. Mit dem Beginn der Arbeitsteilung wurde auch der Grundstein gelegt, sich der speziellen Anfertigung für Einzelteile zuzuwenden. Die Anfänge der Gestellmacher, Rädergießer, Kettenmacher, Schildmacher und Schildermaler als Zulieferer zum Uhrmacher, war der Beginn der Industrialisierung. Der wachsende Bedarf an Schwarzwalduhren erforderte ein Umdenken in der Herstellung und Produktion. Die weit zerstreute Hausindustrie musste sich bald der entwickelnden Uhrenindustrie beugen.
Die Uhrenindustrie: Die sich in bestimmten Gegenden entwickelnde Herstellung von Rohstoffen und Halbfertigteilen in größerem Ausmaße durch Fabriken, bedeuteten für die Hausindustrie ein langsames Verschwinden. Entstehende Fabriken mit bis zu 300 Arbeiter und mehr, prägten jetzt die Herstellung der Uhren. Wachsende Städte durch Zuzug von Leuten, sich ändernde politischen Verhältnisse und Grenzen taten ihr Nötiges.
Das Urachtal
Ein zwei Stunden langes Tal, Pfarrei und Gemeinde, mit 30 Höfen und 611 Einwohnern. In dessen Mitte stehen Pfarrkirche, Pfarrhaus, Schulhaus, Wirtschaft und ein paar andere Häuser. Der gleichnamige Fluss, oben im Tale bei der Wirtschaft zur Kalten Herberge eine Quelle, bald durch den Zutritt von zwei links und rechts aus Seitenschluchten rieselnden Bächen zu einem Bache erwachsend, durchfließt das Tal von Westen nach Osten und vereinigt sich bei Hammereisenbach mit dem Bregenbach. So beschreibt J.B. Kolb "Urach", in dem Topographischen Lexikon des Großherzogtum Baden 1813.
Aus dieser Talgemeinde kommt einer der ersten Uhrmacher des hohen Schwarzwaldes, der nach 1720 die Uhrmacherei als Hausgewerbe betrieb - Simon Dilger aus Urach. Dilger stammt ursprünglich aus der Nachbargemeinde Schollach, das bis zum Jahre 1909 dem Kirchenspiel Urach angehörte. Als Häusler bewohnte Dilger zunächst das Steigdeibissenhäusle im Zinken Engenbach, später im Jahre 1720 übersiedelte er mit seiner Familie in das benachbarte Urachtal, wo er in dem zum unteren Roturacher Hof gehörigen Langhisli seine Werkstatt einrichtete.
Franz Ketterer aus Schönwald (geb. um 1667) und Simon Dilger aus Schollach (geb. um 1672) sind als regionale Hersteller von Holzräderuhren bekannt.
Die Entstehung der Schwarzwälder Kuckucksuhr kann nicht ohne weiteres als eigenständige Erfindung der Schwarzwälder Uhrmacher gewertet werden. Es lassen sich hier auch Einflüsse des fortschrittlichen französischen Uhrengewerbes nachweisen, die durch regionale Wandergesellen ihren Einzug in den Schwarzwald gehalten haben. Auch die Familiengeschichte der Dilger liefert hier einen Beleg auf diese "externe" Entwicklungshilfe. Erst mit den "erworbenen" Erfahrungen im Konstruktions- und Werkzeugbau konnte die Kuckucksuhr ihren erfolgreichen Werdensgang beginnen. Die Fairness gegenüber den französischen Uhrmachern gebietet es, auf diesen Punkt hinzuweisen.
Kalte Herberge
Simon Dilger wurde bald ein bekannter Uhrmacher auf dem Walde, der gerne seine Erfahrungen und Kenntnisse an interessierte und wissbegierige Zeitgenossen weitergab. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, das Simon Dilger auf der nahen Kalten Herberge eine Art Uhrmacherschule unterhielt. Hier kamen dann die Uhrmacher der ganzen Umgebung regelmäßig zusammen, um ihre Erfahrungen über Verbesserungen an Uhren und Werkzeugen auszutauschen. Die Kalte Herberge lag im Schnittpunkt sich vieler treffenden Saumwege aus alle Richtungen von Glashändler und Uhrenhändlern. Wo sich viele Pfade und Wege treffen, wie an der Kalten Herberge, so ist auch die Geschichte wer die erste Kuckucksuhr gebaut hat von vielzähligen Behauptungen behaftet. Die wahre Geschichte wird wohl für immer im Dunkeln bleiben. Ein Uhrentyp, der ohnehin die Phantasie beflügelt und zum Symbol einer Landschaft wurde, ist besonders anfällig für Legendenbildung.
Zur Vöhrenbacher Uhrengeschichte
Die drei großen Stadtbrände die Vöhrenbach heimsuchten und alle Archivalien vernichteten (der letzte im Jahre 1819), haben mit Bestimmtheit dazu beigetragen, die Spuren früherer Uhrengeschichte auszulöschen. Doch auch die Neuzeit beschreibt sehr spärlich die Uhrenherstellung, war doch der Orchestrienbau in Vöhrenbach von großer Dominanz. Dass die Stadt Vöhrenbach in der damaligen Zeit auch eine erwähnenswerte Rolle im Uhrenbau einnahm, soll dieser Beitrag als Erinnerung festhalten.
Im Originaltext: Spannungen zwischen den einzelnen Ortschaften und Gebieten gab es auch bei der Gründung des Uhrengewerbevereins von 1847. Politische Dimensionen gewannen die Auseinandersetzungen bei der Festlegung des Standortes der geplanten Uhrmacherschule, die schließlich 1850 in Furtwangen errichtet wurde. Neben Furtwangen und Neustadt hatten sich auch noch Triberg und Vöhrenbach beworben.
Die Entscheidungsfindung mutet recht modern an. Es lautete die entscheidende Frage: "Wie viele Uhrengewerbsleute wohnen in jedem der vier Orte und bis auf zwei Wegstunden weit um jeden herum"?
Die Auswertung ergab für Vöhrenbach 1.199, Neustadt 1.270, Triberg 1.377 und Furtwangen 2.018 Personen, was wichtige Hinweise auf Gewerbedichte und Einzugsbereich einzelner Zentralorte lieferte.
Diese Information ist entnommen aus dem Uhrengewerbsblatt für den Schwarzwald 1849, S. 5–12, hier S. 11, unter dem Titel "Die Vöhrenbacher Versammlung am 5. Feb. 1849."
Wenn damals im Jahre 1847 in Vöhrenbach 1.199 so genannte Uhrengewerbsleute registriert wurden, so müsste auch eine kleine Chance bestehen, eine (oder mehrere) Uhr aufzuspüren wo sich einwandfrei einem Uhrmacher aus Vöhrenbach zuordnen lässt?? Ebenso müssten Spuren zu finden sein, wo für die Uhrenindustrie wichtige Teile hergestellt und geliefert wurden??
Oder wissen sie was Johann Peter Hebel (1760-1826) mit Schwarzwälder Uhrenschilder verbindet?? Über diese Fragen sind zum Teil sensationelle Ergebnisse vorhanden, wo bisher der Uhrengeschichte nicht bekannt waren. Es würde sich bestimmt lohnen dem Vöhrenbacher Uhrmacherhäusle einen Besuch abzustatten.
Siegfried Kleiser