Heimatgilde Frohsinn e.V.

Vöhrenbach im Schwarzwald

der knödelfresser wird 150 jahre alt

Spuren einer Figurenuhr des Schwarzwaldes nach Vöhrenbach
Zusammengestellt von Siegfried Kleiser


Im Jahr 2011 wird eine der recht kuriosen Figurenuhren des Schwarzwaldes 150 Jahre alt, der Knödelfresser. Zwischen dem Ausstellungsbericht von Dietz/Karlsruhe, aus dem Jahre 1863, zur "Badischen allgemeinen Landes–Industrie–Ausstellung" von 1861, und der nächsten Beschreibung über den Knödelfresser aus dem Jahre 1970 sind einige Jahre vergangen. Alles was nach dieser Zeit über den Knödelfresser geschrieben wurde, entstammt nicht aus neuen Recherchen; sondern bezieht sich auf Hinweise wie - man nimmt an, man darf annehmen, wahrscheinlich, mit großer Wahrscheinlichkeit, vermutlich, u.s.w.


An Vermutungen besteht kein Mangel, wohl aber an deren Beweiskraft!


Beschreibung
Um das Jahr 1860 entstand auf dem Schwarzwald eine recht eigentümliche Figurenuhr, der „Knödelfresser", deren Werk bereits mit einem Federzug. Das einfach braun gebeizte Stutzuhrgehäuse ist oben mit einer Zierfassade umgeben. Darauf sitzt die Figur des Knödelfressers, ein Bauer der auf seinen Knien eine große Platte mit Knödel hält. Bei jedem Stundenschlag schiebt der Bauer mit seiner Gabel einen Knödel nach dem anderen in den weit aufgesperrten Mund, und verfolgt mit gierigen Blicken (Augendrehen) sein hastiges Tun. Der Knödel wird in einer Kreisbewegung von der Platte durch den Körper der Figur geführt, und kehrt wieder dahin zurück. Beim Betrachter entsteht dadurch der Eindruck, dass der Bauer einen Knödel nach dem anderen verzehrt, und nur beim genaueren zusehen lässt sich erkennen, dass es immer der selbe Knödel ist. Bei Kindern wie auch bei Erwachsenen erzeugt dieser Ablauf Erheiterung als auch Bewunderung.


Großherzogtum Baden Bildquelle: Frei verfügbar

Quellen zur Entstehungsgeschichte des Knödelfressers
Die Badische allgemeine Landes–Industrie–Ausstellung von 1861

Bekanntmachung
Die vom 15. August bis 15. September in Karlsruhe stattfindende Gewerbeausstellung für das Großherzogthum Baden betreffend.

 

 


So lautete die Einladung im Verkündigungs–Blatt Nr. 11 vom 25. März 1861 sich zu bewerben als Teilnehmer und Aussteller. Die damaligen Bedingungen zur Teilnahme wurde in 10 Paragraphen festgelegt, wobei unter § 7 (fettgedruckt) eine wichtige Information gewünscht wurde.
Besonders gewünscht wird, dass bei den einzelnen Gegenständen zugleich Notizen über die Stoffe, woraus sie bestehen, die Art ihrer Verfertigung, den Betrieb und Umfang des Geschäftes, sowie über weitere Fabrikate des Einsenders mitgeteilt werden, um solche Notizen in dem über die Ausstellung zu veröffentlichen Bericht aufnehmen zu können.


Karlsruhe, 14. Februar 1861
Im Namen des Gewerbevereins.
Der erste Vorsteher
J. Spreng.

 

Die Geburtsstunde des Knödelfressers
Auf der Landesindustrie Ausstellung im Jahre 1861 in Karlsruhe zeigte der Uhrmacher Anton Haeckler [1] aus Vöhrenbach zwei Automatenwerke, eines davon mit Knödelfresser. Dieser Ausstellungsbericht von Dietz/ Karlsruhe, erschienen 1863 in Bezug zur Ausstellung von 1861 in Karlsruhe/Baden.
Dietz schreibt…

** C.IX (ohne Nr.) Anton Haeckler in Vöhrenbach.

Zwei Automatenwerke, das eine derselben stellt ein Trinker vor, der sich fleißig immer wieder einschenkt, und das andere einen so genannten "Knöpfle-Esser". [2] Die letztere Figur scheint mit ihrer Gabel von dem vor sich befindlichen Teller einen Knödel um dem anderen anzustechen und zu verschlingen. Die Arbeit ist so, dass man nur bei näherer Betrachtung die Einrichtung erkennen kann und macht den Besuchern viele Unterhaltung, trug aber auch dem Verfertiger dem Vernehmen nach viele Bestellungen ein.
Belobende Anerkennung.
(Auch auf der Ausstellung in Metz befand sich ein Exemplar).

Auf der Ausstellung befand sich auch ein Knöpflefresser von Jos. Heine aus Neustadt. Obwohl der Mechanismus nicht minder gut gearbeitet war als jener von Häckler, so scheint doch die Figur selbst weniger Beifall gefunden zu haben - C. IX. (ohne Nummer), Ausstellungsbericht.

 


Der Knödelfresser als Teil des Fastnacht–Programms in Vöhrenbach vom 16. Februar 1863
Wie in jeder Narrenhochburg, dazu zählt auch Vöhrenbach, waren für die kommende närrische Jahreszeit 1862 die Vorbereitungen abgeschlossen. Da das Thema für 1862 festgelegt war, bot sich die aktuelle Gestalt des "Knödelfresser" für das Jahr 1863 als Motto geradezu an.
Das Fastnachtsthema lautete…

 



Das Volkslied auf der Drehorgel
mit lebendigen Automaten und
obligaten "Knöpflefresser"

Das Originalprogramm wurde viele Jahre später in einem alten Bauernschrank entdeckt und ist im Besitz der Heimatgilde Frohsinn - Vöhrenbach. Wie groß der Bekanntheitsgrad des "Knödelfressers" war, lässt sich daran ermessen; die Weinhändler Joseph und Karl Hepting aus Vöhrenbach beauftragten einen Künstler, (leider unbekannt) der den gesamten Fastnachtsumzug in mehreren Bilder zeichnete, und als Federzeichnung der Nachwelt hinterlassen hat.


Der Themenwagen für den Knödelfresser war: Ein großer Leiterwagen, gezogen mit zwei Pferden, darauf sitzend ein Leierkastenmann mit Drehorgel, der Trinker auf dem Fass sitzend, sowie der obligatorische Knödelfresser (hier Knöpflefresser) mit Begleitpersonen.




Der Arbeitskreis Stadtgeschichte ist im Besitz von Bildern, auf welchen ein Knödelfresser von Anton Haeckler abgebildet ist. Die Uhr ist signiert mit … A. Haeckler No. 18.

Knödelfresser von Anton Haeckler - Uhrenmuseum Furtwangen

Wer war der Schnitzer des Knödelfressers?
Dürfte der Uhrmacher des Knödelfressers einwandfrei geklärt sein, so bleiben über den Schnitzer dieser Figur einige Fragen offen. Doch auch diese sollten anhand von vorliegenden Unterlagen geklärt werden können. Als Ausgangspunkt für die Nachforschungen findet sich ein Bericht von Romulus Kreuzer [3] aus dem Jahre 1880, auf Seite 252 ff in dem Kapitel X. Vöhrenbach, mit folgenden Textstellen (Teilauszüge).


...Im Jahre 1808 wurde hier von Fidel Heer (1782-1862) ein Bildhauer-Geschäft gegründet. Dieser verfertigte Anfangs nur kleinere Figuren auf sogenannte Männlevierteluhren, wie z.B. Kapuziner, Mäder, Metzger, Ziegenböcke sowie auch solche für Spieluhren…


….Das gleiche Geschäft Betrieben dessen Söhne Joseph und Karl Heer unter der Firma Gebr. Heer fort…


….Zu gleicher Zeit trat auch Ferdinand Winterhalder (1784-1847) als Bildhauer in Vöhrenbach auf, und lieferte ebenfalls die kleinen aus Holz geschnitzten Figuren zu verschiedenen Spielwerken. Dessen Söhne Leopold, Karl und Franz Joseph führten das Geschäft in Vöhrenbach weiter…


Die Gebrüder Winterhalder konnten auf der Badischen Landesausstellung in Karlsruhe (1861) eine belobende Anerkennung erringen. "Bildhauerarbeit und Holzschnitzwerke - Diese Arbeiten schließen sich an die vorhergehenden an, stehen denselben aber im Allgemeinen in Bezug auf Geschmack und Reinheit der Form nach, obschon sich einige gute Stücke darunter befinden. Belobende Anerkennung." Als vorhergehenden Vergleich wurde die Firma A. Winter und Sohn in Karlsruhe herangezogen - Silberne Medaille.


So ist mit Interesse festzustellen, dass damals im Jahr 1808 gleich zwei Bildhauer in Vöhrenbach tätig waren mit zum Teil gleichen Produkten. Während die Heer’s weiter mit ihrem Namen in der Uhrenliteratur in Erscheinung treten, so wird über den Namen Winterhalder geschwiegen, und dieser fand kein Eingang in die Uhrengeschichte.


Fidel Heer starb im Jahre 1862 in einem Alter von 80 Jahren, der Knödelfresser wurde 1861 in Karlsruhe erstmals vorgestellt, so wird man sich die Frage stellen müssen - ob Fidel Heer damals noch in der Lage war den Knödelfresser herzustellen.


Anton Winterhalder verlor in jungen Jahren seinen Vater, und beendete bei seinem Neffen Joseph in Znaim/Mähren seine Ausbildung. Er kehrte nach seiner Ausbildung 1777 nach Vöhrenbach zurück und wollte sich niederlassen. Es sollten lange 6 Jahre vergehen bevor er ein Haus bauen durfte, und das nur außerhalb der Stadtmauer. [4] In damaliger Zeit verloren Auswanderer alle ihre bürgerlichen Rechte, und Rückkehrer wie Anton Winterhalder wurden als Fremde behandelt, und durften – wenn überhaupt - nur außerhalb der Stadtmauer sich ansiedeln.                                 Bürgerliche Rechte und Schutz gab es damals nur innerhalb der Stadt.

War das ein Hauptgrund, über die Winterhalder zu schweigen??


So dürfte es schwer fallen die Figur des Knödelfressers einem bestimmten Schnitzer zu zuordnen. Sind doch einige Figuren eher etwas plump und unförmig in ihren Proportionen, so sind andere Figuren in ihrer Ausführung und Körperhaltung von Bildhauern angefertigt worden. Selbst die Farbgebung an manchen der Figuren lassen auf fremdländische Einflüsse und Kenntnisse der Anfertiger schließen.

Die Entstehung von falschen Datierungen
Der Knödelfresser mit seinem spektakulären Bewegungsablauf dürfte einer der letzten Darsteller in Bezug der Schwarzwälder Figurenuhren gewesen sein. So ist es nicht verwunderlich diese Figur auch auf Drehorgeln zu finden. War der damalige Tanzkreisel schon auf frühen Figurenuhren vorhanden, und in späteren Flötenuhren und Drehorgeln noch vertreten, so war der Knödelfresser die ideale Ergänzung um den Tanzkreisel abzulösen. So ergab sich die Möglichkeit, an vorhandenen Drehorgeln den Knödelfresser nachzurüsten und einzubauen. Wurde an älteren Drehorgeln die Figur des Knödelfresser nachträglich eingebaut, so wurde der Knödelfresser in das gleiche Jahr datiert wie die Drehorgel. Durch diese Konstellation ergaben sich zwangsläufig die verworrensten Datierungen des Knödelfressers [5]. Durch den nachträglichen Einbau ergab sich auch eine andere Anordnung der Figuren innerhalb der Kulisse. Diese Veränderung bedeutet auch eine Verschiebung der Proportionen. Das Aussehen der vorhandenen Figuren und ihre Anordnung beinhalten auch ein gewisses Thema, was durch das Abspielen der Melodien mit ihrer Erklärung dem Betrachter verständlicher gemacht werden sollte. Auch wurde früher versucht, die Figuren in ihrer Anordnung nach dem System des goldenen Schnittes annähernd zu platzieren. Durch Nichtbeachten desselben ergibt sich, dass die hinteren Figuren durch die neu eingefügte Figur (Knödelfresser) - im Vordergrund mittig platziert – vom Betrachter nicht mehr in voller Größe eingesehen werden können; wobei das Gesamtbild der Kulisse sich nicht zum Vorteile veränderte.


Knödelfresser – Spätzlefresser – Knöpflefresser,
worin liegt der feine Unterschied.

Lassen sie mich zum Schluss noch einige Bemerkungen zu den unterschiedlichsten Bezeichnungen des Knödelfressers machen. Vöhrenbach lag früher an der Grenze zu Vorderösterreich (Baden), zwei Kilometer weiter begann das Territorium des Königreichs Württemberg (Württemberg). In Baden war die Mehlspeise der Knöpfle zuhause; in Württemberg sind es die Spätzle. Je nach Herstellungsort des Knödelfressers wurde die Bezeichnung geändert.


Kannte man den Begriff des "Knödel" damals überhaupt in unserer Region?
Das Wort Knödel bedeutet im mittelhochdeutschen Knote für Knoten.
Aus dem althochdeutschen kommt das Wort Kloß (Kloz, Knolle, Kugel, Klumpen).
Von Knödel entlehnt sich das tschechische Wort Knedlik.
Die Winterhalder kamen ja aus Böhmen/Mähren zurück, wer kennt nicht das Lied Böhmische Knödel!! Oder: Als Böhmen noch bei Österreich war!!


[1] Anton Haeckler hat alle seine Uhren mit A.Haeckler und einer Nummerierung gezeichnet, diese ist in der Werkplatine eingepunzt. Auch in einem Kontrollzifferblatt einer Kirchturmuhr ist der Name geschrieben mit A.Haeckler.
[2] Kannte man damals überhaupt in Baden den Ausdruck "Knödel"?? Oder darf man die Bezeichnung "Knöpfle" als Hommage an den Großherzog ansehen??
[3] "Zeitgeschichte von Furtwangen und Umgebung", Seite 252 ff. Romulus Kreuzer / 1880
[4] Siehe Chronik von Vöhrenbach : Prof. Dr. K. Bader / Seite 195 ff.
[5] Eine Drehorgel von Ignaz Blasius Bruder wurde in das Jahr 1841 datiert. Eine später erschienene Publikation aus dem Jahr 2006 korrigierte die Jahreszahl auf 1862 (Schweiz)